5 Fragen an Nicole Dorazil

Gruppenleiterin und Führungskraft im Job-Sharing-Modell im IT-Bereich eines großen deutschen Telekommunikationsunternehmens.

TZF: Wie reagiert Ihr Umfeld auf Ihre Teilzeitposition?
Nicole Dorazil:

Beruflich wird die Situation absolut positiv aufgenommen. Da ich mir gemeinsam mit meiner Kollegin Tanja Niebert die Führungsaufgabe teile, sind wir sogar präsenter als eine Vollzeitführungskraft. Bei Urlauben oder Dienstreisen stimmen wir uns ab, so dass auch dann in der Regel ein Ansprechpartner zur Verfügung steht und offene Themen kurzfristig geklärt werden können. Das hat natürlich für uns als Führungskraft den Vorteil, dass wir nach einem Urlaub nicht von einem Berg unerledigter Aufgaben erwartet werden. Auch bei Meetings können wir uns voll auf das Inhaltliche konzentrieren und müssen nicht ständig checken, ob wichtige Nachrichten vorliegen.

Privat kann ich meine Arbeitszeit gut mit der Familie in Einklang bringen. Da ich eine Wochenarbeitszeit von 23 Stunden habe, bleibt genügend Zeit für Kinder, Mann und mein eigenes Hobby. Natürlich arbeite ich manchmal etwas länger, dafür habe ich aber auch die Möglichkeit,  mir frei zu nehmen, wenn die Kinder einen Schulausflug haben oder besondere Aktivitäten anstehen.


TZF: Was ist Ihrer Ansicht nach, das Geheimnis „erfolgreicher“ Teilzeitführung?

Nicole Dorazil:

Ich denke, das Wichtigste ist, loslassen zu können. Wenn man jede Aufgabe selber erledigen möchte, wird dies nicht in Teilzeit gelingen. Das bedeutet natürlich auch, dass man davon ausgehen muss, dass das Arbeitsergebnis nicht das Gleiche ist, wie bei einem selbst. Aber dafür muss es ja nicht unbedingt schlechter sein! Jeder Mitarbeiter hat seine eigene Herangehensweise an Themen und dies sollte man auch akzeptieren. Bei meiner Kollegin und mir ist es normalerweise so, dass diejenige, die eine Aufgabe aufgreift, diese auch fallabschließend bearbeitet. Das bedeutet natürlich auch, dass man die Entscheidungen, die mit dieser Aufgabe zusammenhängen, alleine trifft- und diese können durchaus anders sein, als es bei einem selbst der Fall gewesen wäre. Und genau diese Offenheit bei der Bewältigung von Herausforderungen sollte gegeben sein, wenn man sich eine Führungsaufgabe teilt. Denn wenn man sich bei jedem Thema erst lange abstimmt und gemeinsam relevante Meetings besucht, kann dies nicht effektiv sein und wird dazu führen, dass man trotzt Teilzeit länger arbeitet.

 

TZF: Denken Sie, dass eine Teilzeitposition für alle Hierarchieebenen und Berufsbilder anwendbar ist? Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Grenzen von Teilzeitführung?
Nicole Dorazil:

Zunächst einmal stellt sich die Frage, welches Teilzeitmodell zum Tragen kommen soll. Üblicherweise unterscheidet man hier zwischen dem klassischen Teilzeitmodell, bei dem der Arbeitsplatz von einer Person ausgefüllt wird und diese ihre Wochenarbeitszeit reduziert, dem Job-Splitting, bei dem sich zwei Mitarbeiter den Job teilen, aber unterschiedliche Verantwortungen haben sowie dem Job-Sharing. Hier wird die Verantwortung für die Aufgabe gemeinsam getragen. Meine Kollegin und ich arbeiten nach dem Job-Sharing-Modell und sehen sogar viele Vorteile gegenüber den Vollzeitführungskräften. Durch die anfangs erwähnte gute Vertretungsmöglichkeit wird das Ausfallrisiko gesenkt und den Kollegen steht im Normalfall immer ein Ansprechpartner zur Verfügung. Gerade, wenn kurzfristig Entscheidungen getroffen werden müssen, ist dies von Vorteil. Wenn Kapazitätsengpässe auftreten, da viele Themen gleichzeitig zu erledigen sind, können wir diese aufteilen und sind somit deutlich schneller fertig . Wir glauben auch, dass die Qualität höher ist, da das 4-Augen-Prinizip zum Tragen kommt. Da wir Mitarbeiter an 6 Standorten haben, können wir die Präsenz besser abdecken, als es einem einzelnen Kollegen möglich wäre. Und natürlich haben wir auch unterschiedliche Kompetenzen und Stärken, die wir zum Wohl der Mitarbeiter und des Unternehmens einsetzen. Ein weiterer Vorteil bei belastenden Themen, wie z. B. dem Personalabbau, ist es, dass man über die Herausforderungen offen mit einer Person reden kann, die in der gleichen Situation ist und auch die Mitarbeiter genauso gut kennt. Dies haben wir als emotional erleichternd empfunden. Ich glaube nicht, dass es Grenzen bei dieser Art von Teilzeitführung gibt, da die zahlreichen Vorteile für sich sprechen.

Bei den anderen Teilzeitmodellen kann ich dies nicht beurteilen. Ich denke aber, auch hier kommt es darauf an, Themen sauber zu delegieren und den Mitarbeitern zuzutrauen, sie alleine zu lösen. Dann sollte eine Teilzeitführung auch in allen Hierarchieebenen möglich sein.


TZF: Was raten Sie Führungskräften, die ebenfalls gerne ihre Arbeitszeit reduzieren wollen? Was kann der Arbeitgeber dazu tun?

Nicole Dorazil:

Einfach die Initiative ergreifen und nicht auf den Idealfall warten! In unserem Job-Sharing-Fall war es beispielsweise so, dass Tanja und ich uns im Vorfeld nicht kannten. Tanja war bereits im Unternehmen und dieses wollte in einem Pilotprojekt testen, ob Job-Sharing auch bei Führungskräften möglich ist. Ich war zum damaligen Zeitpunkt bei einem anderen Unternehmen beschäftigt und bin durch eine Zeitungsanzeige mit der Überschrift „Werden Sie Chef in Teilzeit“ auf diese Möglichkeit aufmerksam geworden. Wir haben uns dann das erste Mal bei einem eigens für die Tandemsituation aufgesetzten Assessment-Center kennengelernt. Wir können also die These, dass man sich im Vorfeld kennen sollte, nicht bestätigen.

Was ich für viel wesentlicher halte, ist  dass der Führungsstil der gleiche ist. Wenn ein Kollege autoritär und der andere partizipativ ist, wird eine gemeinsam Führung nur schwer gelingen.

Und man selber muss natürlich auch die Offenheit mitbringen, neue Aufgaben anzunehmen, anstatt als Idealfall zu sehen, dass die aktuelle Tätigkeit in Teilzeit ausgeübt werden kann. In meinem Fall bedeutete dies, dass ich den Arbeitgeber gewechselt habe, um Teilzeitführungskraft werden zu können.

Arbeitgeber sollten  Teilzeitführung positiv sehen, dann wird das Ergebnis eine Teilzeitführungskraft mit hoher Einsatzbereitschaft und Unternehmensbindung sein.

TZF: Abschließend Ihre schönste Teilzeitführungsanekdote/Teilzeitführungserlebnis.

Nicole Dorazil:

Wir sind sehr glücklich über unsere zufriedenen Mitarbeiter. Wir sind nun schon über 4 Jahre gemeinsam für unser Team verantwortlich und was als Experiment gestartet ist, können wir heute sicher als Erfolgsmodell bezeichnen. Einige Mitarbeiter haben gesagt, dass sie anfangs etwas skeptisch waren, gleich zwei neue Chefinnen zu bekommen. Heute sind sie froh, dass wir ihre Führungskraft sind und solche Aussagen bestätigen uns darin, den richtigen Weg gegangen zu sein.