5 Fragen an Martina Sieber

Managerin und Teilzeitführungskraft bei einem globalen amerikanischen IT Unternehmen

TZF: Wie reagiert Ihr Umfeld auf Ihre Teilzeitposition?

Martina Sieber: Überwiegend sehr positiv. Freunde und Familie wissen, dass ich die berufliche Herausforderung brauche, andererseits war zum damaligen Zeitpunkt der Entscheidung klar, dass Vollzeit wegen des Berufs meines Mannes, der kein Teilzeitmodell zuließ, keine für uns akzeptable Option war.

Meine Kinder wurden immer einbezogen, wenn es um eine Änderung meiner Stundenzahl und den möglichen Einfluss davon auf den Alltag ging,  das wurde im Vorfeld geklärt. Sie fanden es auch positiv, dass ihre Mutter finanziell unabhängig ist, nachdem sie in der Schule mit Scheidungen bei den Eltern von Freunden konfrontiert wurden.

Die meisten Kollegen haben das positiv aufgenommen, auch wenn es teilweise von deren Seite Umplanungen erforderte. Die Tatsache, dass ich meine Stundenzahl kontinuierlich erhöht habe, so wie es die Kinder und die jeweiligen Betreuungsmöglichkeiten zuließen, hat auch unterstrichen, dass mir eine berufliche Karriere weiterhin wirklich wichtig ist.

Für meine erste Abteilung stellte es ebenfalls keinen Bruch dar, da meine Vorgängerin kurz davor aus der Babypause kam und in der Elternzeit nur in Teilzeit gearbeitet hat.

Einzelne, wirklich wenige Kollegen haben entweder insgesamt kritisch reagiert (Frauen mit Kindern sollen zuhause bleiben) oder sich sperrig gezeigt, wenn von ihnen dadurch mehr Flexibilität oder Entgegenkommen gefordert wurde. Beides hat sich jedoch nach kurzer Zeit gegeben.

TZF: Was ist Ihrer Ansicht nach, das Geheimnis „erfolgreicher“ Teilzeitführung?

Martina Sieber:

Privat „den Rücken freihaben“.

Man braucht  die Akzeptanz von Partner und Familie, es müssen klare Absprachen definiert sein, wie das für alle konkret aussieht. Daran sollte man sich im Regelfall  konsequent halten, dann werden auch Ausnahmen akzeptiert.

Auch sollte man sich frühzeitig Gedanken machen, wie mögliche „Krisen“ bewältigt werden – wie Krankheit Tagesmutter, Kita Schließung, kranke Kinder usw.  und das auch kommunizieren. Auch war immer klar, dass im Falle eines echten Konflikts die Familie Vorrang hat (was dann quasi nie eingetroffen ist).

 Beruflich – Abgrenzung und klare Kommunikation

Die eigenen Leistungsziele müssen klar definiert und dem Arbeitsvolumen angepasst sein. Der schwierigste Schritt für mich war, die Bereiche zu definieren, wo ich Abstriche machen werde im Unterschied zum Vollzeit-Job. Einfach von allem weniger geht  in der Regel nicht. Dies geschah in Diskussion mit meinem Team und meinem Vorgesetzten und war dann auch für alle transparent.

Delegation:

Sowohl privat als auch beruflich ist es wichtig, die Aufgaben zu verteilen, die man nicht leisten kann bzw. diese „einzukaufen“.  Das reicht  von der Putzhilfe im Haushalt über das intelligentere organisieren des Arbeitsalltags bis zur echten Delegation von Aufgaben an MitarbeiterInnen mit Potential.

So habe ich in den meisten Jobrollen, die ich in Teilzeit ausgeführt habe, tradierte Prozesse hinterfragt, vereinfacht oder konnte mir Daten von anderer Stelle besorgen, statt z.B. selbst Reports zu erstellen, auch wenn diese dann vielleicht anders oder weniger gut aufbereitet waren. Häufig konnten Aufgaben sogar komplett entfallen.

Des weiteren habe ich beste Erfahrungen damit gemacht, meinen MitarbeiterInnen mit Potential  einen Teil meiner Aufgaben zu übertragen – mit entsprechenden Coaching, Einarbeitung und regelmäßigem Feedback. Eher selten wurde es dadurch nötig, andere Aufgaben dieser MitarbeiterInnen weiter zu verteilen – in der Regel hat meine Arbeitsorganisation eher abgefärbt, und die bisherigen Aufgaben wurden effizienter gelöst.

Dass aber eine Entlastung erfolgte, wenn sie wirklich nötig war, hat sich sehr positiv auf die Leistungsbereitschaft ausgewirkt.

Erreichbarkeit in Ausnahmefällen

Sowohl meinen Kinder als auch meinen Mitarbeitern habe ich eingeräumt, mich in Notfällen auch außerhalb der jeweils normalen Zeiten anzurufen – d.h. die Kinder im Büro bzw. die Mitarbeiter zuhause. Das hat eine hohe Vertrauensbasis geschaffen. Auch habe ich mich bemüht für wirklich wichtige Fälle auch Ausnahmen zuzulassen – so z.B. früher zu gehen, um an Schul-Events teilzunehmen oder auch für wichtige berufliche Anlässe für zusätzliche Kinderbetreuung zu sorgen.  NIE für den Regelfall – also z.B. keine regelmäßigen Meetings außerhalb meiner Arbeitszeiten. In den wenigen Fällen, wo dies nicht möglich war, habe ich das auch fundiert begründet.

TZF: Denken Sie, dass eine Teilzeitposition für alle Hierarchieebenen und Berufsbilder anwendbar ist? Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Grenzen von Teilzeitführung?

Martina Sieber: Alle Hierarchieebenen – weitestgehend – ich denke, ein Vorstandsvorsitzender in Teilzeit hat in vielen Branchen noch Akzeptanz-Probleme  - im Betrieb und bei Kunden.

Alle Berufsbilder  - wahrscheinlich nicht vorbehaltlos.  So kann ich mir vorstellen, dass es z.B. für Flugkapitäne schwierig sein dürfte – wenn jemand in Teilzeit nur Kurzstreckenflüge am Vormittag übernimmt. Hier greift sicher das klassische Teilzeitmodell nicht – hier sind wahrscheinlich eher Blockmodelle sinnvoll.  Auch für Schichtarbeit gestaltet sich das sicher eher schwierig, da es ein deutliches Mehr an Organisation erfordert. Auch auf Ölplattformen stelle ich mir Teilzeit als wenig sinnvoll vor ;-)

Generell ist Teilzeitführung schwierig bei Jobs, die viele Reisen und häufigen Kundenkontakt erfordern. Hier wird man organisatorisch und auch Akzeptanzmässig schnell an Grenzen stoßen.

TZF: Was raten Sie Führungskräften, die ebenfalls gerne ihre Arbeitszeit reduzieren wollen? Was kann der Arbeitgeber dazu tun?

Martina Sieber: Zuerst kritisch zu hinterfragen, ob der derzeitige Job in Teilzeit machbar ist. Was wären die Aufgaben, die entfallen/umverteilt werden müssten.  Wie sieht das private/berufliche Krisenmanagement aus. Passt das alles zur eigenen Anspruchshaltung? Wenn ja, wie kann man es dem Team bzw. dem eigenen Chef überzeugend darstellen – das braucht eine klare Vorstellung der neuen Rolle. Ggf. auch mit den Teamleitern oder sonstigen Führungspersonen im Team diskutieren,  die Teile der eigenen Aufgabe übernehmen würden, wie das umgesetzt werden könnte. Ich denke, es hilft in der regel auch zu vermitteln, warum man Teilzeit arbeiten möchte.

Arbeitgeber sollten generell offen für Teilzeitarbeit sein – TZ-Kräfte sind in der Regel produktiver als Vollzeitkräfte, erfordern aber im Gegenzug mehr Flexibilität in den Prozessen. Diese zu schaffen, ist sicher Sache des Arbeitgebers. Ich denke auch, dass das Ermöglichen von Teilzeitführung zumindest mittelfristig motivierend für die MitarbeiterInnen ist. Voraussetzung ist natürlich, dass auch nicht-Führungskräfte diese Möglichkeiten haben und es nicht nur eine elitäre Option ist.  Es signalisiert, den Mitarbeiter und seine Bedürfnisse ernst zu nehmen.  Eine offene Kommunikation – vielleicht auch der „Role Models“ wäre wünschenswert.

TZF: Abschließend Ihre schönste Teilzeitführungsanekdote/Teilzeitführungserlebnis.

Martina Sieber: Nachdem ein Interview mit mir zum Thema Teilzeitführung auf einer Websites des BMFSFJ veröffentlicht wurde, gab es einige sehr kritische Blogkommentare online. Dies hat dazu geführt, dass mehrere meiner Mitarbeiter  sehr verärgert über diese „wirklichkeitsfremden Kommentare“ zu mir kamen, mir ausführliches und sehr gutes Feedback gaben und eigentlich direkt auf die  Einträge antworten wollten. Sowohl der Inhalt des Feedbacks als auch das allgemeine Engagement waren nachhaltig beeindruckend für mich.